++ #hsvpacktmitan – in Bad Neuenahr-Ahrweiler ++
Gegen 19 Uhr am Abend war gestern der in vielerlei Hinsicht intensive „Einsatz“ der 8 Helfer*innen, die am frühen Morgen „unter der Flagge“ des HSV Sobernheim zum Anpacken in die Katastrophenregion im Ahrtal gefahren waren, beendet.
Viele mögen sich jetzt fragen, wo sind denn ein paar Fotos von den herumgeschleuderten Autos, eingestürzten Brücken oder zersprengten Häuser, wo ihr schon mal dagewesen seid. Wir haben uns entschlossen, keine Fotos von den surrealen, katastrophalen und zeitweise sogar gespenstischen Szenarien zu veröffentlichen. Keine einzelne Momentaufnahme würde auch nur im Ansatz der gesamten Situation in der Region gerecht werden.
Das Vorhaben zu helfen begann mit der Fahrt durch Bad Neuenahr-Ahrweiler zu unserem ersten vermittelten Ziel. Durch unzählige Hilfskolonnen von Katastrophenschutzeinheiten aus dem ganzen Bundesgebiet auf der Autobahn konnten wir uns zumindest ein wenig auf das Bevorstehende einstellen. War an sich allen auch schon vorher in irgendeiner Form klar, was uns erwarten würde, so war der Bruch in der Stadt, als von jetzt auf gleich aus normalen Verhältnissen Apokalypse wurde, für alle nochmal ein maximal merkwürdiges Gefühl. In dieser „anderen Welt“ begannen wir in einer Seitenstraße der Orsbeckstraße. Hier unterstützten wir mehrere Haushalte beim Entfernen des angeschwemmten und inzwischen immer fester werdenden Schlamms sowie Gestein in jeder Größe. Unzählige Schubkarrenladungen des stinkigen Schlamms wurden am Straßenrand aufgehäuft, damit er dort irgendwann hoffentlich durch großes Gerät abgeholt wird. Dadurch, dass wir diese einfachen, wenngleich nicht weniger schweißtreibenden Arbeiten übernahmen, gaben wir den Bewohnern für einen Moment Zeit sich –so banal es sich anhört- mal hinzusetzen. Mal mit den Nachbarn zu besprechen, wie sie die letzten Tage überstanden haben und wie es jetzt weitergeht. Mal bei der Versicherung anzurufen. Mal etwas zu essen oder zu trinken. Bei einer gemeinsamen Pause erzählte uns der 63-jährige und vor 3 Monaten pensionierte Hausbewohner Stefan, wie er in der Unwetter-Nacht zufällig aus dem Fenster im ersten Stock aus einen Mann bemerkte, der sich an seinem Haus in etwa 5 Meter Höhe über dem Gehweg nahezu komplett im Wasser hängend festhielt, um nicht von der Strömung mitgerissen zu werden. Die Höhe des Wasserstands war noch deutlich an der Hauswand zu sehen. Die Strömung stapelte zeitgleich am gegenüberliegenden Haus mehrere SUVs übereinander. Stefan konnte dem Mann das Leben retten.
Am Nachmittag halfen wir ein paar Straßen weiter in mehreren Anwesen der Bachemer Straße. Ein älterer Herr berichtete wie er beobachtet habe, wie sein Auto durch die Strömung mitgerissen wurde. Er hat es bislang nicht wiedergefunden. Seinen Schutt fuhren wir auf eine provisorische und bestialisch stinkende Mülldeponie ein paar Meter weiter. Diese Deponie war vor zwei Wochen noch Teil eines Friedhofs. Dessen Kreuze wurden teilweise weggespült und ein großer Teil davon von einer weiteren Anwohnerin, ihr Name ist Barbara, eingesammelt und zum Abholen für die Angehörigen bereitgelegt. Die Anblicke der tief bewegten Menschen, die die Kreuze ihrer Lieben nach vielen Tagen wieder entgegennehmen konnten und unglaublich fest an sich drückten, kann man nicht beschreiben. Auf einem Kreuz eines erst kurz vor der Katastrophe Verstorbenen konnte man das Geburtsjahr 1993 ablesen.
Die Dankbarkeit der Bewohner hat für die Blasen an den Händen und den zu erwartenden Rückenschmerzen mehr als genug entschädigt. Wir haben ein neues Stück Demut gegenüber den unfassbaren Kräften der Natur dazugewonnen. Wir wissen alltägliche Dinge wieder etwas mehr zu schätzen. Und wir haben eine neue Dimension der Hilfsbereitschaft live miterleben können.
Aber: Wir konnten am Abend wieder heimfahren, den Staub und den Gestank abduschen und uns ins Bett legen. Die Leute vor Ort müssen sich aber möglicherweise noch monatelang Frischwasser mit Tankwägen liefern lassen, haben keinen Strom und stehen ganz nebenbei vor den Scherben ihrer unbewohnbaren Existenz.
Wir bedanken uns herzlich für das Bereitstellen eines 9-Sitzers inklusive einer sensationellen Werkzeugauswahl sowie der Tagesverpflegung bei den Spendern von Winters Frischedienst und der Firma SchneiderBau!
Den vielen Anfragen, wann wir wieder dorthin fahren werden, müssen wir vorerst als Fazit mitteilen: Vor Ort ist jetzt der Zeitpunkt für Fachfirmen, Fachleute und Spezialgerät gekommen. Die Mehrheit der Wohnungen und Häuser, die wir in Bad Neuenahr-Ahrweiler gesehen haben (das war natürlich nur ein Bruchteil, keine Garantie für irgendeine grundsätzliche Aussagekraft!), waren bereits -inklusive Boden, Wand und Decke- ausgeräumt oder sollen ohnehin abgerissen werden. Ohne konkret geplanten Auftrag werden wir vorerst nicht mehr ins Ahrtal fahren. Sollten sich möglicherweise aber Handballvereine aus der betroffenen Region bei uns melden, die an einem bestimmten Tag eine bestimmte Anzahl an Helfern für sich oder Sportsfreunde benötigen, werden wir selbstverständlich schauen, ob wir eine Truppe auf die Beine gestellt bekommen!
Wir beenden den „Spielbericht“, wie schon lange nicht mehr gelesen:
Für den HSV im Einsatz: Nadine Henn, Anja Jakob, Richard Wagner, Micha Neuchel, Jan Hargesheimer, Philipp Schütt, Rolf Schütt und Thomas Kistner